Die wilde Jagd : Ein Entwicklungsroman in acht anderen Geschichten by Paul Scheerbart

Die wilde Jagd : Ein Entwicklungsroman in acht anderen Geschichten by Paul Scheerbart

Autor:Paul Scheerbart [Scheerbart, Paul]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
veröffentlicht: 1899-12-31T23:00:00+00:00


Und mit mächtigem Gepolter wachsen riesige rote Berge durch den Schachtelhalmwälderstaub.

Und die roten Berge sind von glitzernden Flüssen durchzogen, die sich wie seidene Bänder um die Gipfel der Berge schmiegen. Zinnoberrot sind die Berge – und die Flüsse so wie Silber – wie Quecksilber – auch so beweglich.

Und aus den roten Bergen werden große lachende Riesenköpfe, die sehr gutmütig schmunzeln.

Und die silbernen Flüsse umschlingen den breiten Hals der Bergriesen und gehen oben ins Haar der Bergriesen und bewegen sich wie flüssige Schlangen und flüstern schmeichelnde Worte ins Ohr der Bergriesen.

Und dann fangen die Flüsse zu fragen an wie gute Kinder – sie wollen so gerne was wissen – sie wollen was von den Göttern wissen.

»Ist die Zahl der Götter, die, wie wir wohl wissen, auch Sterne genannt werden, wirklich gar nicht auszusprechen ?«

Also fragen die schmeichelnden Schlangen, und die roten Riesen antworten: »Die Zahl der Götter ist nicht einmal auszudenken – es gibt gar nicht so viel Platz, um die Zahl aufzuschreiben- die Unendlichkeit ist für die Zahl viel zu klein – die Götter überragen alles.«

Da wundern sich die Flüsse sehr, und ihre Wasser umplätschern die Stirn der Riesen.

Aber die Flüsse sind neugierig; sie wollen noch mehr von den Göttern wissen.

»Können die Götter«, fragen die Neugierigen »wirklich machen, was sie wollen?«

»Ih, kein Bein!« erwidern schmunzelnd die Roten, »die Götter hängen wieder von andern Wesen ab, die viel größer sind als alle Sterne zusammen. Und diese Obergötter hängen wieder von Ober-Obergöttern ab usw. Alle haben immer noch einen Höheren über sich – es reißt gar nicht ab. Und dann sind alle – sowohl die einfachen Götter wie die oberen – durch unzählige dicke Taue aneinander gebunden – und hängen alle untereinander voneinander ab. Das alles solltet Ihr Euch mit Euern Eingeweiden in Euer Herz schreiben.«

Da zittern die Flüsse, denn sie können sich das alles gar nicht ordentlich ausmalen – so großartig erscheint es ihnen.

Sie wollen nun nur noch wissen, ob sich die Götter ebenfalls immer weiter entwickeln wie die Flüsse und Berge und all das Gewürm, das auf und in ihnen lebt.

Und zu dieser Frage nicken alle Bergriesen so kräftig mit den Köpfen, daß sich ihre Halsketten kaum festhalten können.

Und kopfnickend rutschen die roten Berge nach allen Seiten aufwärts bis in die weite Ferne zum Schalenrande, wo sie immer kleiner werden und schließlich so klein sind, daß die Opalaugen nichts mehr von den roten Bergen mit ihren neugierigen Flußketten bemerken.

Und die Opalaugen können so weit sehen – nach allen Seiten zu gleicher Zeit.



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